Thomas Wagner
Das Muster, das verbindet
Anmerkungen zu den Arbeiten von Susanne Paesler
Katalog „Susanne Paesler“, Berlin 2000, ISBN 3-932754-10-7



Thomas Wagner
The Connecting Pattern
Notes on works by Susanne Paesler
Translation: Lucinda Rennison
Catalogue „Susanne Paesler“, Berlin 2000, ISBN 3-932754-10-7



Realismusstudio NGBK
Die grösstmögliche Ambivalenz aufbauen
Hiltrud Ebert, Ingrid Wagner-Kantuser im Gespräch mit Susanne Paesler
Katalog „Bilder über Bilder“, Berlin 2000, ISBN 3-926796-68-5





































Thomas Wagner

Das Muster, das verbindet
Anmerkungen zu den Arbeiten von Susanne Paesler

"Es handelt sich (...) darum, von der Mode das
zu lösen, was sie im Geschichtlichen an
Poetischen, im Flüchtigen an Ewigen enthält."
Charles Baudelaire


I.
Susanne Paeslers Malerei ist – im Wortsinn – vor allem eines: mustergültig. Sie hält sich an Probestücke und Vorbilder, doch nach ihren Gemälden von ordentlichen Karomustern, kleinbürgerlichen Spitzenstoffen, freakigen Batik-Ornamenten, duftigen Sprühblumen und heroischen „Brush-Strokes“ oder „Drippings“ wird nichts gefertigt. Sie selbst sind keine Vorlagen. Im Gegenteil. Was fertig gemacht in der Welt bereit liegt, um Raum oder Körper auszustatten und zu dekorieren, das wird nun in seiner Musterhaftigkeit als Bild vorgeführt. Kein Faltenwurf hüllt einen lebendigen Körper ein. Es ist die bewusste Arbeit an und mit der Bildoberfläche, die Susanne Paesler besonders schätzt. Alles scheint Fläche zu sein; Figur und Grund fallen in eins. In der Schichtung der einander überlagernden und sich in der Wiederholung zum Muster fügenden Streifen verschließt sich die Bildfläche mehr, als dass sie sich dem auf sie prallenden Blick des Betrachters öffnet. Indes, beim weiteren Hinsehen beruhigt sich die Fläche nicht. Entlang der sich orthogonal kreuzenden Streifen tastet sich der Blick in die Tiefe, als klettere er zwischen Kette und Schuss hindurch in ein farbiges Netz. So wird die Oberfläche als Alleingültiges behauptet und doch zugleich überschritten, indem ihr Muster eine räumliche Tiefe suggeriert. Wo das Muster als Ganzes sich zur vollkommenen Fläche ausspannt, wird diese von der Struktur parziell durchbrochen. Die Wahrnehmung wird zwischen beiden Sichtweisen hin und her gejagt. Das Urteil folgt dem berühmt gewordenen Schema: Ist es ein Stoffmuster, oder ist es ein Gemälde? Ist es Ding oder Bild?

Entscheidend für Susanne Paeslers konzeptuelle Malerei ist weder ihr dominierendes Sosein noch der Kontext, auf den das Muster sich bezieht, sondern die Konsequenz, mit der ihr Werk die Ebenen miteinander verschränkt. Was wie abstrakte Malerei aussieht, erweist sich als konkretes Muster aus dem Stoffkatalog; doch was wie eine Musterkarte in Originalgröße wirkt, bleibt ein abstraktes Bild. Wo sich das Abstrakte als Gegenständliches zu erkennen gibt, wird das Gegenständliche als Bild zugleich durch seinen Rang als freie Abstraktion gesichert.

Stellt man den streng kalkulierten oder freien Mustern die später entstandenen Bilder abstrakt-expressiver Gesten an die Seite, so wird deutlich, dass hier zwei historisch verbürgte Ideologien des künstlerischen Ausdrucks von ihren Extremen her untersucht werden. Die Abstraktion wird reflektiert, indem ihre von allem Konkreten und Narrativen befreite Oberfläche als eine historisch und sozial determinierte erkannt wird. Der Abstrakte Expressionismus und das Informel werden analytisch umkreist, indem diese einst existenziell beglaubigt auftretenden Gesten zwar als Bild präsent bleiben, jenseits ihres gesellschaftspolitschen und kunsthistorischen Kontextes aber zum bloßen Label schrumpfen.

Konsequent lässt Paesler das Moment der Illusion auf den Rahmen übergehen. Vor allem als gemaltes Trompe l’oeil dementiert dieser nun ausdrücklich die Vermutung, wenigstens er stelle, nachdem die Statusunterschiede bildintern nicht mehr eindeutig festgestellt und geklärt werden können, die Differenz zwischen Bildraum und Gegenstandssphäre wieder her. Als gemalter Rahmen aber verweist er im Gegenteil darauf, dass Grenze wie Kontext – spätestens seit Duchamp – Teil des Darstellungssystems geworden sind. Plötzlich wird der Rahmen in seiner Funktion als herausgehobene und abgrenzende Form der Illusionierung erkennbar. Es ist nicht der Statthalter des Wirklichen, sondern das explizit Illusionäre, das desillusioniert.

II.
Der Diskurs der modernen Malerei ist in einem entscheidenden Punkt zweideutig geblieben: er vermochte das Verhältnis von Authentizität und Schein nicht hinreichend zu klären. In medial hoch entwickelten Gesellschaften aber ist das Authentische nicht einfach das Unmittelbare. Nicht das Vermitteltsein, so die These der Moderne, ist der Feind des Authentischen, sondern allein der Mangel an Bewusstsein der Vermitteltheit. Clement Greenberg etwa formuliert den Anspruch der Avantgarde-Kultur, im Unterschied zum Kitsch Erfahrung aus erster Hand zu sein, indem sie die Verfahrensweisen der Kunst, nicht deren Wirkungen nachahme.1 Der Inhalt solle sich so vollständig in der Form auflösen, „dass weder das künstlerische oder literarische Werk als Ganzes noch ein Teil von ihm auf irgendetwas zurückgeführt werden kann, das außerhalb von ihm liegt.“2

Susanne Paeslers Gemälde erfüllen diesen Anspruch, dementieren ihn aber zugleich. Was sie ausloten, ist der Bereich zwischen der Authentizität als einem bloßen On-dit und dem welthaltigen Ready-made-Charakter der Vorlagen, zwischen einer als existenziell behaupteten Emphase und deren sozialer oder historischer Einordnung. Verhandelt wird aber auch, wie sich eine künstlerische Geste in ein Label verwandelt hat, wie sie sich vom Künstler und seiner Existenz abgelöst und zu einer nicht länger beglaubigten, also zweifelhaften Sache geworden ist. Dazu reicht es nicht aus, historische Bildmuster und künstlerische Gesten nur zu zitieren.

III.
Es ist eindeutig die Spur von Susanne Paesler, die der Betrachter jener Gemälde wahrnimmt. Zugleich aber erinnert das Motiv auf den ersten Blick unverkennbar an Jackson Pollock. Es ist „Pollocks Geste“ und die „Geste Pollock”, die Susanne Paesler verfolgt, die sie malend studiert, zerlegt, nachahmt, verändert, erleichtert und kopiert, auf die sie anspielt und von der sie sich in der bewusst unheroischen Kombination der Farben und in der Dichte der Farbgewebe doch erkennbar entfernt. Es scheint, als male sie ein Markenzeichen, wie eine Shell-Muschel oder eine Odol-Flasche.

Bei den Drippings von Pollock handelt es sich um komplexe Gesten, um eine besondere Form indexikalischer Malerei, die im Verlauf der historischen Entwicklung und auf Grund ihres exzessiven Reproduziertwerdens zu einer Art „Pollock-Look“ erstarrt ist. Eben diesen „Look“ stellt Susanne Paesler in ihrer Malerei auf die Probe; sie bedient oder bestätigt ihn nicht, sondern reflektiert seinen Ursprung und seine Wirkung. Vermittels des Moments des Dekorativen, das Pollocks Drippings selbst bereits innewohnt, bei ihm aber von einem existenziellen Furor pathetisch grundiert bleibt, nähert sie sich dem Mysterium eines Gefühls an, das die Malerei des amerikanischen Heros prägt. Weil sie sich aber ganz an die Wirkung der Bildoberfläche, an die Visibilität hält, beginnen Susanne Paeslers appropriierende Dripping-Arbeiten zwischen reiner Dekoration und existenzieller Geste zu schillern.

Weder erheben sie das massenhaft reproduzierte Nachbild abermals zu einem in Epoxidharz erstarrten Gemälde wie Peter Zimmermann, noch versuchen sie sich als Playback einer ironisch gebrochenen zeittypischen Geste, wie sie Claes Oldenburg als Mixtur aus abstrakt-expressiver Spur und standardisiertem Pop-Art-Muster in sein „Bedroom Ensemble“ von 1969 integrierte. Ebensowenig folgt Susanne Paesler allein der Fährte der Trivialisierung bis in die Gefilde der Mode, wo die Firma Dolce & Gabbana erst jüngst mit Hosen hervorgetreten ist, die sich Pollocks Drippings realiter als Stoffmuster bedienen und die Differenz von High and Low somit vollends eingeebnet haben.

In ihren Annäherungen an Pollock integriert Susanne Paesler das gesamte Arsenal der Trivialisierung, das dessen existenzielle Geste durchlaufen hat, in eine Form reflektierender Malerei. Sie erliegt der Geste nicht, das ist dabei entscheidend; sie wahrt beständig eine Distanz, die es möglich macht, die in sie eingegangenen historischen Schichtungen zu erkennen. Den nur behutsam übereinandergeschichteten schwarzen, hellblauen und weißen Tröpfelspuren auf hellblauem Grund ist die Unmöglichkeit eingeschrieben, Pollocks Bilder losgelöst von ihrem späteren Dasein als Stoffmuster und Dekor noch immer als authentischen Ausdruck eines Subjekts wahrnehmen zu können. Was Clement Greenberg als „Verkörperung von Schnelligkeit und Spontaneität“3 preisen konnte, als die im Moment der Vollendung über das scheinbar Chaotische triumphierende Ordnung4, das erscheint jetzt als historisches Muster in einem illusionistisch gemalten Rahmen, der ebenso Bild ist wie es selbst.

IV.
In letzter Konsequenz läuft das bildhafte Verschneiden der Sphäre der reinen Formen – also der Abstraktion – mit jener der konkreten Gegenstände – der Welt der gemusterten Stoffe – auf etwas Grundlegenderes hinaus, als es der bildintern vorangetriebene Diskurs über den Status des Bildes zunächst vermuten lässt. Könnte es sein, dass die Unterscheidung zwischen einem auf sich selbst bezogenen Bild und einer auf konkrete soziale, historische oder modische Zusammenhänge verweisenden Darstellung womöglich der ästhetische Sonderfall einer weitreichenderen Unterscheidung ist? Etwa jener zwischen dem Unbelebten und dem Belebten oder zwischen dem Empfundenen und dem nur Gemalten? Also zwischen Kunst und Leben? So elegant, so perfekt ausgeführt und dekorativ auftretend, so kühl, distanziert und unanfechtbar die Muster und Gesten auch erscheinen mögen, die Susanne Paesler malt, ihre Bilder weisen über die bloße Opposition von Abstraktem und Konkretem hinaus. In ihrer Musterhaftigkeit kommt mehr noch als das Trennende das Verbindende zur Sprache.

„Welches Muster verbindet den Krebs mit dem Hummer und die Orchidee mit der Primel und all diese vier mit mir? Und mich mit ihnen? Und uns alle sechs mit den Amöben in einer Richtung und mit dem eingeschüchterten Schizophrenen in einer anderen?“5, fragt Gregory Bateson. Das Muster, das er als das Natur und Geist verbindende sucht, ist freilich kein einfaches Muster, sondern ein Muster von Mustern, ein „Metamuster“. Bateson definiert Ästhetik nicht nur als die „Aufmerksamkeit für das Muster, das verbindet“6, er erkennt in der Wahrnehmung einer übergreifenden Ordnung auch die Chance, über das quantifizierende Denken der Wissenschaft hinauszugelangen. Den Begriff des Kontextes etwa verwendet er, um entfernt verwandte Prozesse wie die menschliche Kommunikation oder die Wachstumssteuerung einer Seeanemone zu beschreiben. Der Kontext ist somit ein „Muster in der Zeit“, das eine Bedeutung festlegt, aber bezogen bleibt auf ein Muster von Mustern der Verbindung.

Wenn Bateson ausdrücklich daran festhält, „dass unser Verlust des Sinnes für ästhetische Einheit ganz einfach ein erkenntnistheoretischer Fehler war“7, so folgt Susanne Paeslers Malerei eben jener Spur, Muster auf der Fläche, im Raum oder in der Zeit als ästhetische Einheiten miteinander in Beziehung zu setzen und das Verbindende an ihnen bildhaft herauszuarbeiten und auf seine Stabilität zu prüfen. Am einfachsten lässt sich an den Pollock-Paraphrasen verdeutlichen, was sie dabei beschäftigt. Präzise betrachtet die Malerin Kraft und Relevanz der Drippings oder eines anderen künstlerischen Verfahrens. Doch so sehr sie sich auf der Ebene des formalen Nachvollzugs auch bemüht, so perfekt ihr der jeweilige „Look“ auch gelingt, zur menschlichen oder existenziellen Qualität der Vorbilder scheint es auf diesem Wege kein Durchkommen zu geben. Und doch versprechen das historische Muster und seine Wiederholung permanent eben dies: das bildhafte Gelingen einer Verbindung von Leben und Werk und die Möglichkeit, in der Betrachtung des Werks auch die Intensität des Gelebten aufbewahrt zu finden. Indem Susanne Paesler vorliegende Muster malt, eröffnet sie ihrer Malerei also zugleich eine Metaebene, ist die Malerei doch auch ein „Muster, das verbindet“. Im Sinne Batesons verstanden, demonstrieren und reflektieren ihre Gemälde somit Muster von „Mustern, die verbinden“ – oder Muster der Malerei, von denen behauptet wird, sie würden Kunst und Leben verbinden.

In einer sich überkreuzenden Bewegung kritisiert Susanne Paeslers Malerei zunächst die Abstraktion, weil diese als ebenso triviales wie modisches Muster wiederkehrt und alles andere als frei von etwas erscheint, das außerhalb von ihm im Bereich des Wirklichen liegt. Was sie im Akt der Darstellung aber zugleich vorführt, ist die ästhetische Wucht und Suggestionskraft, mit der ein solches Muster bildhaft auftritt und wirkt. Ihre Kritik ist also eine der Verführungskraft eines Bildtyps, der zwar auf der Ebene des Modischen zu bezaubern weiß, dem historisch aber zu Unrecht die Last der Freiheit vom Gegenstand oder die Eigenschaft eines Residuums existenziellen Ausdrucks aufgebürdet worden ist. In der Gegenbewegung ist es sodann die abstrakt-expressive Geste der Malerei, die als dekorative entlarvt wird, von deren visueller Gestalt sich eben nicht, wie unterstellt, eine Verbindung zum Leben herstellen lässt. Es gibt zwar ein verbindendes Muster, doch erweist es sich als suggestiver Trug, es könne einen Ausgang vom Werk ins Leben geben, der jenseits all dessen liegt, was modisch oder dekorativ erscheint.

V.
Eine Malerei, die ihre Wurzeln wieder erkennt, sich zugleich aber als eine von diesen abgeschnittene erfährt, wird somit zum Medium historischer Reflexion. Was sie wider Willen noch einmal durchläuft, ist die Passage von der Malerei als Ausdruck reiner Form oder existenziellen Selbstausdrucks zur Malerei als nachgeholfenem Ready-made. Denn was im Fall der industriell gefertigten Stoffmuster ohnehin auf der Hand liegt, das gilt, wenn auch aus anderen Gründen, ebenso für die abstrakt-expressiven Gesten. Mittels exzessiven Reproduziertwerdens sind auch diese zu Ready-mades geworden, zu massenhaft verbreiteten Waren. Pollocks Drippings sind nach Dolce & Gabbana nicht mehr dieselben wie zuvor.

Susanne Paeslers Malerei ergibt sich nicht der Illusion, sie reiche hinter diesen Zustand zurück. Pendelnd zwischen der historischen Gewissheit, die Kunst habe einen existenziellen Weltbezug verloren und der Sehnsucht, ihn auch weiterhin als Aufgabe begreifen zu können, vergegenwärtigt ihr Werk den Balanceakt einer zeitgenössischen Form der Malerei, die notgedrungen zwischen der Möglichkeit eines Bildes als bloßem visuellem Zeichen und als Ausdruck einer authentischen Erfahrung schwankt.


1 Vgl. Clement Greenberg, Avantgarde und Kitsch, in: ders.,
hrsg. v. Karlheinz Lüdeking, Amsterdam/Dresden 1997, S. 47 pass.
2 Clement Greenberg, a.a.O., S. 33.
3 Clement Greenberg, Jackson Pollock, a.a.O., S. 355.
4 Vgl. ebd., S. 356.
5 Gregory Bateson, Geist und Natur. Eine notwendige Einheit,
Frankfurt am Main 1987, S. 15.
6 a.a.O., S. 16.
7 a.a.O., S. 29.

© Thomas Wagner

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Thomas Wagner

The Connecting Pattern
Notes on works by Susanne Paesler


"The point is (...) to take from fashion those
elements of the poetic within the historical, of
the eternal within the fleeting.."
Charles Baudelaire


I.
Above all, Susanne Paesler‘s work is – in the literal sense of the words – the painting of pattern. She keeps to sample pieces and models, but nothing is actually produced on the basis of her paintings of neat diamond patterns, bourgeois lace material, freakish batik ornaments, sweet-smelling, sprayed flowers and heroic brush-strokes or “drippings“. They themselves are not models or patterns. Quite the opposite. She presents – with its pattern value as an image – whatever may be found as ready-made in the world in order to furnish or decorate space or objects. There is no drapery swathing a living body. The artist especially values conscious work on and with the surface of the image. Everything appears to be surface; figure and background fall into one. The layering of the overlapping stripes, which create a pattern in their repetition, causes the surface of the picture to close up rather than open itself to the blaze of the viewer‘s eye. Yet the surface does not calm down after further contemplation. The eye feels its way along the stripes crossing orthogonally into the depths as if it were climbing through the warp and the weft into a brightly-coloured net. In this way, the surface is maintained as the only validity – yet at the same time it is exceeded, for its pattern suggests spatial depth. Where the pattern as a whole extends into a complete area, this is partially broken through by the structure. Perception is chased to and fro between these two ways of seeing. Our judgment follows the scheme which has become well-known. Is it a pattern for cloth, or is it a painting? Is it an object or a picture?

The decisive aspect of Susanne Paesler‘s conceptual painting is neither its dominant so-being nor the context to which the pattern refers, but the force with which her work intertwines these levels. What looks like abstract painting proves to be a concrete pattern from a catalogue of materials; but what appears to be an original size pattern card remains an abstract painting. Where the abstract reveals itself as representative, the representative is simultaneously secured as an image by means of its standing as free abstraction.

Placing the stringently calculated or free patterns side by side with the pictures of abstract expressive gestures produced later, it becomes clear that two historically established ideologies of artistic expression are being examined from their uttermost extremes. Abstraction is reflected upon by means of a recognition of its surface as historically and socially determined, free of the concrete and the narrative. Abstract expressionism and art informel are analytically considered inasmuch as these gestures, which once appeared existentially authenticated, certainly remain present as an image, but shrink to a mere label beyond their social-political and art historical context. Consistently, Paesler permits the moment of illusion to pass into the frame. As a painted trompe l‘oeil, this expressly contradicts the supposition that at least the frame, whilst the differences in status within the picture can no longer be decisively determined and clarified, re-produces the differentiation between picture area and representative sphere. But quite the contrary, as a painted frame it points out that limits and context – at least since Duchamp – have become part of the system of portrayal. Suddenly the frame can be seen in its function as an emphasized and limiting form of illusion. It is not a representative of reality, but explicitly illusionary, disillusioning us.

II.
In one essential point, the discourse of modern painting has remained ambiguous: it has not been possible to clarify adequately the relation between authenticity and semblance. But in societies with highly-developed media, the authentic is not merely the direct. According to the thesis of the modern age, the enemy of the authentic is not being mediated as such, but a lack of awareness of this mediation. Clement Greenberg, for example, formulated the pretensions of avant-garde culture – by contrast to kitsch – as experience at first hand, gained by imitating the processes of art, and not their effect.1 In this way, content should completely dissolve into form, so “that neither the artistic nor the literary work as a whole, or a part of it can be traced back to anything lying outside of it“.2

Susanne Paesler‘s paintings fulfil this pretension, whilst at the same time denying it. They plumb the depths of the area between authenticity as mere report and the material, ready-made character of the patterns, between an emphasis maintained as existential and its social or historical classification. But their argument also concerns the way in which an artistic gesture is transformed into a label, the way in which it separates off from the artist and his existence, becoming a no longer authenticated, i.e. a dubious thing. In order for this to occur, it is not sufficient to cite historical, image patterns and artistic gestures.

III.
The viewer of these paintings clearly perceives the mark of Susanne Paesler. At the same time, however, at first glance the motif unmistakably recalls Jackson Pollock. “Pollock‘s gesture“ and the “Pollock gesture“ haunt Susanne Paesler; she examines these in painting, dismantles, imitates, alters, lightens and copies them, making references to them and yet unmistakably distancing herself from them in the consciously unheroic combination of colours and the thickness of her paint. It is as if she were painting a trademark, like the Shell sea-shell or a well-known cosmetics bottle.

Pollock‘s drippings are complex gestures, a special form of indexical painting which – in the course of historical development and as a result of its excessive reproduction – has been frozen into a kind of “Pollock-Look“. It is precisely this “Look“ which Susanne Paesler puts to the test in her painting; she does not make use of it or confirm it, but reflects upon its origins and its effect. By means of the decorative moment already inherent in Pollock‘s drippings themselves, although in his work it retains a pathetic ground of existential vehemence, she approaches the mystery of feeling which characterizes the American hero‘s painting. However, because she completely sticks to the effect of the picture surface, to what is visible, Susanne Paesler‘s appropriating dripping works begin to oscillate between pure decoration and the existential gesture.

They neither elevate the mass reproduced copy to a painting solidified in epoxy as Peter Zimmermann once did (see page 8), nor do they attempt to be the playback of an ironically broken gesture typical of the times like the one Claes Oldenburg integrated into his “Bedroom Ensemble“ of 1969 – a mixture of abstract, expressive tracks and standardized Pop-Art pattern. Nor does Susanne Paesler by any means follow along the tracks of trivialisation into the fields of fashion, where the firm Dolce & Gabbana only recently appeared with trousers making use of a more real manifestation of Pollock‘s drippings as a pattern on cloth, in this way completely levelling out the difference between low and high culture.
In her approaches to Pollock, Susanne Paesler integrates the entire arsenal of trivialisation which his existential gesture has been through, using a form of reflective painting. She does not succumb to the gesture, which is a decisive point; she constantly maintains a distance, making it possible to recognize the historical layers from which it is composed. The impossibility of perceiving Pollock‘s pictures apart from their later existence as cloth patterns and decoration is written into these gently overlapping layers of black, light blue and white dripping traces on a light blue background. What Clement Greenberg was able to praise as the “embodiment of velocity and spontaneity“3, as order triumphing over the apparently chaotic in the moment of completion4, now appears as an historical pattern in an illusorily painted frame – which in turn is an image as much as it is itself.


IV.
As a final consequence, the artistic blending of the sphere of pure form – that is, abstraction – together with that of concrete objects – the world of the patterned materials – leads to something more fundamental than the picture‘s internally motivated discourse about the status of the image might at first make us suppose. Could it be that the differentiation between a picture which refers to itself and a depiction which refers to concrete social, historical or fashionable contexts is possibly the specific aesthetic case involved within a further reaching differentiation? For example that between the non-living and the living, or between the experienced and the merely painted? That is, between art and life? As elegant, perfectly produced and apparently decorative, as cool, distanced and incontestable as the patterns and gestures which Susanne Paesler paints may appear, her pictures refer to something beyond the simple opposition of abstract and concrete. Their pattern quality voices connecting rather than dividing aspects.

Gregory Bateson asks: “What pattern connects the crab with the lobster and the orchid with the primrose and all four of these with me? And me with them? And all six of us with the amoeba in one direction and the intimidated schizophrenic in another?“5 The pattern which he seeks, something connecting Nature and the spirit, is certainly no simple pattern, but the pattern of patterns, a “meta-pattern“. Bateson defines aesthetics as not only “attentiveness for the connecting pattern“6, in perception of an overall order he also sees the chance to progress beyond the quantifying thought of science. For example, he uses the concept of the context in order to describe distantly related processes like human communication or the control of a sea anemone‘s growth. The context is thus a “pattern in time“ which establishes a meaning, but continues to refer to a pattern of patterns of connection.

Bateson expressly holds “that our loss of a sense of aesthetic unity was quite simply a mistake in epistemology“7, and Susanne Paesler‘s painting follows precisely this course, placing patterns – as aesthetic units – in relation to each other on a surface, in space or in time, working out their connecting aspects and examining the stability of these pictorially. Her concern here can best be clarified using the example of the Pollock paraphrases. Paesler observes precisely the force and relevance of the drippings or of different artistic processes. But no matter how great her efforts on the level of formal understanding, as perfectly as she succeeds in each of the “looks“, there does not appear to be any way through to the human or existential quality of the originals. And yet the historical pattern and its repetition permanently promise precisely this: artistic success in a connection between life and work and the possibility of finding the intensity of what has been experienced stored in the work as we contemplate it. By painting existent patterns, Susanne Paesler opens up a meta-level in her painting, since painting is also a “pattern which connects“. Understood in Bateson‘s sense, her paintings therefore demonstrate and reflect patterns of “patterns which connect“ – or patterns of painting of which it has been maintained that they connect art and life.

With a cross-over motion, Susanne Paesler‘s painting initially criticizes abstraction, since this returns as a pattern as trivial as it is fashionable, so appearing anything but free of something lying outside of it in the field of reality. But at the same time, in the act of depiction, she also presents the aesthetic force and suggestive power with which such a pattern appears and has its visual effect. So her criticism is one of the seductive power of a type of image which knows how to enchant us on the level of the fashionable, but which has been – without justification – historically encumbered with the burden of a freedom from the object or the quality of remaining existential expression. In the counter motion, it is then the abstract-expressive gesture of the painting which is revealed as decorative, and it is not, as is presupposed, possible to create a connection with life from the visual form of this. It is true that there is a connecting pattern, but it proves to be a suggestive illusion that there could be a way leading from the work into life, a way lying beyond all that appears fashionable or decorative.

V.
A form of painting which recognizes its roots, at the same time experiencing itself as cut off from these, thus becomes a medium of historical reflection. Unwillingly, as it were, it passes once again through the channel from painting as the expression of pure form or existential self-expression to painting as an assisted ready-made. For what is clearly the case for an industrially produced cloth pattern is just as true, if for different reasons, of the abstract-expressive gestures. By means of excessive reproduction, these have also become ready-mades, become mass-distributed wares. After Dolce & Gabbana, Pollock‘s drippings are no longer what they used to be.

Susanne Paesler‘s painting does not give itself up to the illusion that it reaches further back, beyond this condition. Fluctuating between the historical certainty that art has lost an existential reference to the world and the desire to continue to see it as a valid task, her work illustrates the balancing act of a contemporary form of painting which wavers – of necessity – between the possibility of a picture as a purely visual sign and as the expression of an authentic experience.


1 Compare Clement Greenberg, Avantgarde und Kitsch, in: idem.,
Die Essenz der Moderne, Ausgewählte Essays und Kritiken,
ed. by Karlheinz Lüdeking, Amsterdam/Dresden 1997, p. 47 pass.
2 Clement Greenberg, ibid., p. 33.
3 Clement Greenberg, Jackson Pollock, ibid., p. 355.
4 Compare ibid., p. 356.
5 Gregory Bateson, Geist und Natur. Eine notwendige Einheit,
Frankfurt am Main 1987, p. 15.
6 ibid., p. 16.
7 ibid., p. 29.

© Thomas Wagner
Translation: Lucinda Rennison

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Realismusstudio NGBK

Die grösstmögliche Ambivalenz aufbauen
Hiltrud Ebert, Ingrid Wagner-Kantuser Im Gespräch mit Susanne Paesler


RealismusStudio (RS): Wie sind Sie zur Malerei gekommen?
Paesler: Vor der Akademie hatte ich den Wunsch, klassisch zu malen, also Aktmalen usw. Ich habe geglaubt, ich habe keine Berechtigung zur Malerei, wenn ich nicht so Akt zeichnen kann wie Raffael. Dem war ich lange verhaftet. Ich empfand es als eine Art, nicht erwachsen werden zu können, was ja darin besteht, dass man in der Lage ist zu springen, nicht darin, alles zu können. Als ich nach den installativen Arbeit wieder anfing zu malen, gab es die Vorstellungen – Mondrian, Federle, Halley – dass man mit rechts und links und oben und unten alles sagen kann, wenn man kann. Das war eine Herausforderung, an der man scheitern muss. Ich habe Mondrian rezipiert als etwas Reines. Dem habe ich aber nicht getraut. Ich habe gedacht, das Ziel müsste sein, das Fleischliche oder den Dreck – obgleich es merkwürdig ist, dies so nebeneinander zu benennen – wieder in diese reine, strenge und transzendentale Malerei zu bringen und zu verbinden.

RS: Und das ist geblieben?
Paesler: Ich glaube, ganz hinten ist das geblieben. In der Linie von Bacon bis heute war für mich schon eine Spannung zwischen dem, was dekorativ und platt ist und ernsthafteren oder scheinbar ernsthafteren Intentionen und dass man versucht, das zusammenzubringen. Das war eine Leistung von Bacon. Ich hatte ihn jahrelang vergessen und sah vor zwei oder drei Jahren eine Retrospektive im Centre Pompidou. Es war auch ermüdend. Man kommt dann raus und denkt, das war ein malender Dekorateur oder Frisör. Das ist im Grunde aber auch die Leistung gewesen: all dies vermeintliche Leid und dieses körperliche und seelische Elend nicht nur in einen dekorativen Zusammenhang zu setzen, sondern es auch so dekorativ aufzufassen.

RS: War das dann für Sie erledigt, eine Art Entweihung?
Paesler: Nein, meine Wertschätzung ist geblieben. Ambivalenz finde ich ehrenwert, wenn man sie aufrechterhalten kann, einen Grad von Spannung aufrechterhalten kann. Für mich ist ein Ziel von Kunst, die größtmögliche Ambivalenz aufzubauen – da kommt man nicht mehr raus.

RS: Das ist auch für den Betrachter das Interessanteste, weil er sich ganz verschieden positionieren kann. Bleiben wir bei den Positionen Bacon – Mondrian. Mondrian als das große Reine. Wie kommen Sie zu dieser Einschätzung? Man könnte auch sagen, Mondrian sei dekorativ.
Paesler: Das habe ich nie so gesehen. Vielleicht habe ich das Dekorative nie so wahrgenommen, weil ich im Misstrauen gegen das Reine so gefangen war. Ich dachte immer, das kann gar nicht sein.

RS: Die große Strenge, die darin liegt, ein Bild abstrakt zu gestalten ist sicher eine Leistung – aber es muss ja nicht unbedingt mit Transzendenz verbunden werden. Man könnte auch sagen, ein Bild ist ein Stück Leinwand mit bunten Streifen ... aber diesen Zugang hatten Sie offensichtlich nicht?
Paesler: Nein, ich habe das nie als etwas Faktisches wahrgenommen... die andere Seite ist, dass dies auch anziehend ist, z.B. die Bilder von Peter Halley: Er hat es geschafft, genau das hinein zu interpretieren, also dass in dieser scheinbaren Strenge das ganze Weltliche, die Hauttöne enthalten sind und trotzdem haben diese Bilder etwas sehr Forciertes. Das hat natürlich auch eine Attraktion.

RS: Es ist uns aufgefallen, dass Eleganz in allen Kritiken ein Stichwort ist. Man könnte sagen, dieser Begriff ist auch mit Weiblichkeit konnotiert. Das stört Sie aber nicht?
Paesler: Eigentlich nicht. Eleganz hat auch etwas Stringentes, etwas Durchgehendes wie eine Argumentationslinie, die man nicht unterbricht. Es hat etwas Schlüssiges. Das ist eigentlich das, was ich zuerst daran sehe und nicht eine weibliche Konnotation. Ich denke, Eleganz ist auch so etwas wie ein trojanisches Pferd, in dem man heikle Inhalte transportieren kann. Anscheinend lege ich auch Wert auf die Erfüllung bestimmter Formen.

RS: Thomas Wagner nennt Sie eine konzeptuelle Malerin. Das widerspricht eigentlich unserer Auffassung, weil wir den Eindruck hatten, dass neben dem Konzept – das heute sicherlich jede und jeder hat, die bzw. der Kunst macht – für Sie auch der Prozess der Malerei, ein Sich-auf-sie-Einlassen, eine große Rolle spielt. Da ergeben sich für uns Fragen. Verstehen Sie sich als konzeptuelle Malerin? Wo verlaufen für Sie Grenzen?
Paesler: Ich weiß gar nicht, ob dieser Begriff noch viel hergibt. Vielleicht war das schon immer so: Man macht hinterher die Konzepte für das, was man vorher begehrenswert fand. Meine vorherigen Arbeiten waren vielleicht konzeptioneller, weil sie stringenter an einem Thema waren. Aber jetzt differenziert sich das immer mehr. Für mich gibt es eine Anziehung und etwas, was ich haben will und wo ich hin will. Hinterher macht man sich einen Plan warum. Das finde ich legitim.

RS: Das interessiert uns bei allen drei Positionen in dieser Ausstellung: die Balance zwischen Malen und Malerei bzw. Bild. Wie funktioniert das bei Ihnen? Auch die Balance zwischen dem, was schon da ist und dem eigentlichen Vorgang des Malens. Was bedeutet für Sie der Umgang mit Substanzen?
Paesler: Ich denke nicht so viel über den Vorgang des Malens nach, anscheinend halte ich das für sekundär. Vielmehr denke ich immer über das Erzeugen von Bildern nach. Die großen Bilder mit Rahmen sind für mich lauter Einzelbilder oder Bildnisse oder Chiffren, die man erzeugt. Für das Malen an sich, also für das Material habe ich ein klares Repertoire: Lackfarben, die ich mit Öl vermische und da ändert sich auch nicht viel. Ich habe kein Interesse an einer ausgeprägten Form von Materialität, obwohl ich will, dass meine Bilder etwas Sinnliches haben.

RS: Wenn Sie vom Erzeugen von Bildern reden, dann fällt mir sofort digitale oder mechanische Erzeugung ein. Heißt das, Sie könnten sich in letzter Konsequenz auch vorstellen, dass Sie Ihre Bilder von anderen malen lassen oder per Computer erzeugen, wenn sie so eine ähnliche Qualität bekommen könnten, wie jetzt, von Ihrer Hand gemalt?
Paesler: Manche Sachen präpariere ich auch am Computer, also ich vermische das. Aber ich könnte mir nicht vorstellen, meine Bilder von jemandem Anderen malen zu lassen, weil es entscheidende Momente im Vorgang des Malens gibt, wo Unerwartetes passiert. Von daher ist ja schon die Malerei wichtig. Aber nichtsdestotrotz: ... Ich würde nicht sagen, ich mache Bilder über Malerei. Ich mache Bilder über Bilder. Das Erzeugen von Bildnissen oder Chiffren, die für etwas stehen.

RS: Sie begreifen Malerei als lesbares, dechiffrierbares Medium, das seinen Platz in unserer Bilderwelt hat unter anderen Bildern. Haben Sie eine eigene Bildsprache entwickelt oder folgen Sie einer Bildsprache?
Paesler: Ich würde sagen, ich habe Chancen, eine Bildsprache zu entwickeln. Ich habe aber im Moment das Gefühl, an einem heiklen Punkt zu sein, z.B. das Stichwort Bilder über Bilder: Dass ich mit dem Rahmen angefangen habe, der jetzt überall auftaucht, nicht mehr in dieser abgeschrägten Form, sondern als Simulation eines einfachen Rahmens mit Schattenfuge – das gibt mir eigentlich totale Möglichkeiten. In dem Rahmen ist auf einmal alles möglich, aber ich weiß gar nicht, ob ich dem gewachsen bin. Ich habe bei meiner letzten Ausstellung gemerkt, diese zwei großen Bilder könnten ein Anfang sein, eine neue Grammatik zu entwickeln, die Bestandteile des Bildes zu orchestrieren. Als könnte man Chiffren für Gefühle und Assoziationsketten erfinden, was ist echt und was ist fake, und wie kann man das im Bild gegeneinander setzen. Ich würde gern so malen, dass sowohl die Anführungszeichen wie die Nicht-Anführungszeichen deutlich werden, ohne dass ich sie explizit etikettieren muss.

RS: Wie entwickeln Sie das Eigene?
Paesler: Ich weiß nicht, wie weit der Begriff das Eigene trägt. Worum es mir in den neueren Bildern gehen könnte, wäre abzutasten, inwieweit bestimmte malerische Gesten das auch einlösen, was sie versprechen. Inwieweit eine Befreiung oder Ähnliches damit einhergeht, ob etwas echt ist: Ich erinnere mich an eine der Vorstädte von Paris, der Name ist mir entfallen, dort hat man als Mittelpunkt des Ortes ein griechisches Amphitheater gebaut, auch die ganze zeitgenössische Architektur ringsum ist historisierend und auf eine infame Art falsch. Ich hatte das Gefühl, dass die Leute dort das für echt nehmen. Das ist für mich ein Thema: Wer muss was aufgrund seiner Bildung und Herkunft glauben und inwieweit vielleicht auch das Falsche etwas Echtes einlöst.

RS: Das ist ein interessantes Phänomen. Das Authentische gibt es nicht mehr, seit »der Autor tot ist«, seit Foucault. Wie wird man Autorin, wenn man sich auf Dinge bezieht, die schon da sind? Wir haben den Eindruck, dass Sie ganz stark damit umgehen, mit den Signets für das Authentische – z.B. bei Ihrer Pollock-Arbeit, das Dripping als Metapher der Entäußerung. Sie malen das nach und damit malen Sie die Anführungszeichen eigentlich schon mit. Geht es Ihnen darum?
Paesler: Das was wir für das Authentische halten, das ist ja schon tot, wenn es bei uns ankommt, das ist zum Label erkaltet oder verfälscht und trotzdem ist es das, was wir davon wissen, etwas Anderes weiß man kaum davon, außer in ganz seltenen intimen Momenten. Als Kind war es das Höchste im Fernsehen, wenn sich die Leute geküsst haben. Ich habe mich damals immer gefragt, ob die Menschen sich küssen würden, wenn sie es nicht im Fernsehen gesehen hätten.

RS: Bleibt beim Bild nicht die Aura der Ich-Setzung?
Paesler: Dass man diese Vorstellung aufgibt, dass Kunst aus dem Innersten des Autors kommt – das ist eine Seite, aber ganz falsch ist es ja auch nicht, oder?

RS: Das meine ich mit Selektionsmechanismen. Was lassen Sie an die Oberfläche kommen von all dem, was Sie wissen und können? Und was macht natürlich auch Ihre Hand damit? Darauf hat die Abstrakte gesetzt: das Unverwechselbare der Geste. Es scheint so, als ob Sie die Gesten bis ins Detail nachmalen. Es gibt die Bilder nicht so, wie Sie sie dann malen, aber wir denken, wir hätten sie schon einmal gesehen.
Paesler: Es ist ja auch so ein Wunsch nach Entäußerung und nach Leidenschaft, dann macht man das und bleibt aber dabei leer, wenn man es nachmacht.
RS: Ihre Bilder sind voller Ambivalenzen, Illusion und Handwerk, Spontanität oder Reflexion... Entsteht alles schon Kopf?
Paesler: Das spiegelt auch mein Misstrauen mir selbst gegenüber. Für mich ist es z. B. auch wichtig, welche Phantasien man sich über Künstler macht. Nicht, dass ich das in meine Bilder einkalkulieren würde, aber Künstler, die mich interessieren, von denen habe ich höchst ambivalente Phantasien. Mich interessieren keine Künstler, von denen man die Vorstellung hat, sie wären moralisch gut...

RS: Ich weiß nicht, ob Sie die Schriften von Agnes Martin kennen. Darin geht es oft darum, dass es Mut braucht, um zu malen, Mut, immer wieder neu anzusetzen und es durchzustehen, Mut auch gegen die Einsamkeit, auch als Frau.
Paesler: Was ich schwierig finde, ist, dass man immer wieder mit sich selbst konfrontiert ist. Man ist so hart damit konfrontiert, was man ist und nicht ist oder mit dem, als was man sich verdächtigt, also ich verdächtigte mich ja auch, reaktionär zu sein und zu versuchen, moderne Bilder zu malen – dem ist man permanent ausgesetzt. Vielleicht braucht’s dafür Mut, ich würde das jetzt so nicht sagen, aber ich empfinde es als etwas Unangenehmes. Das führt auch zu ziemlichen Arbeitshemmungen.

RS: Hat das auch etwas mit der Malerei zu tun? Ihre Bilder sind von einer gewissen Strenge gekennzeichnet. Die muss ja erzeugt werden, ist nicht per se vorhanden. Wenn man sich Installationsarbeiten anschaut, hat man oft den Verdacht, es sei dort leichter, ein Ensemble zu erzeugen, was dann interpretierbar ist, als wenn sich alles auf dieses Viereck beziehen muss.
Paesler: Dem würde ich mich nicht anschließen. Ich glaube, dass es nichts bringt, das so zu den anderen Künsten zu differenzieren. Was ich auch abstoßend finde, ist diese Differenzierung zwischen Künstlern und anderen Menschen. Das hilft niemandem weiter. Als sei das eine besonders kultige Form von Existenz.

RS: Spielt die massenhafte digitale Erzeugung von Bildern in Ihren Arbeitsprozess hinein? Setzen Sie sich dazu ins Verhältnis?
Paesler: Ja, das spielt eine große Rolle, vor allem, was in der letzten Zeit passiert ist mit Photoshop und den ganzen elektronischen Bildbearbeitungsprogrammen. Das setzt die Fotografie wieder in den Stand der Malerei, Fotografie hat keine verbindliche Referenz mehr zur Realität, sondern sie kann Bilder erzeugen wie die Malerei. Das hat nichts mehr mit Realität zu tun, mit Wahrheit vielleicht. Hier kommt die Fotografie in die Nähe der Malerei und ich denke, dass das die Position der Malerei wieder verändern wird. Ich denke, dass man das Differenzierungsvermögen, das man in der Malerei entwickeln kann, benötigen wird, um Fotos zu dechiffrieren.

RS: Das hat also auch Rückwirkungen auf die Rezeption von Malerei?
Paesler: Ja, es geht ja in der Kunst auch darum, die feinsten Unterschiede zu erkennen, ohne dass man in eine geschmäcklerische oder überzogene Differenzierung gerät.

RS: Ich bin mir nicht sicher, ob der Effekt wirklich so eintreten wird, weil der Ausstoß an Bildmaterial immens ist und die Menschen sich nicht so viel Zeit nehmen, um sich die Sachen genau anzuschauen. Werden sie sich überhaupt dafür interessieren, ob ein Bild Wirklichkeit darstellt oder nicht?
Paesler: Ich habe immer die Vorstellung, dass das eine weitere Verunsicherung nach sich zieht, auch für ganz gewöhnliche Leute, die Lady Diana mit einem Baby auf der »Woche der Frau« sehen und dann muss man feststellen, die hat ja überhaupt kein Baby, beziehungsweise ist ja tot – das ist ja alles fake... Ich finde, das ist eine zusätzlich existentielle Verunsicherung. Ich denke schon, dass unsere Gesellschaft in gewisser Weise noch darauf angewiesen ist, dass ein Foto Realität abbildet.

RS: Sicherlich ist auch deshalb die Malerei wieder in Galerien gekommen, weil sie etwas gegen die flüchtigen Bildwelten setzt. Sie hat andere Qualitäten als etwas Reproduziertes. Da wären wir aber wieder bei der Handschrift und müssen schon wieder vorsichtig sein...
Paesler: Ja, es gewinnt an Wert, weil man scheinbar ablesen kann, wieviel Zeit und Arbeit es gekostet hat, während das die Leute bei einem digital erzeugten Bild nicht realisieren. Malerei zeigt das demonstrativ.

RS: Wie kommen Sie auf Ihre Motive – Stoffmuster, jetzt die amerikanische Moderne...?
Paesler: Ich glaube, dass ich auch durch autobiographische Momente zu den Motiven komme. Ich erinnere mich an eine Küchengardine. Ich behaupte immer, die hätte ein Baumeistermuster gehabt. Das heißt, meine Vorstellung von Baumeister kommt nicht von den originalen Bildern, sondern von der Zweit- und Drittverwertung. Und so ist es mit ganz vielen Sachen. Es vermischt sich. Ich habe erst die Küchengardine gesehen und dann den Baumeister. Der Baumeister sah aus wie die Küchengardine. Das hat auch damit zu tun, dass sich im Moment Kunst aus den 50er Jahren so seltsam wiederbelebt, dass mich das berührt, auch in der Spannung zwischen etwas Kleinbürgerlichem, etwas Kleinlichem und Schmerzlichem, das oft damit verbunden ist und gleichzeitig dieser ganze Anspruch. Ich finde es schwierig, darüber zu reden, denn wenn ich heute darüber spreche, klingt das schon wieder herablassend. Z.B. Hans Hartung war für mich immer die deutsche und kleinlichere Version des amerikanischen Expressionismus. Er hat in Frankreich in der Fremdenlegion gegen Nazi-Deutschland gekämpft und dort ein Bein verloren. Er hat z.B. auch schon diese großen Pinselstriche projiziert und vorgezeichnet und dann ausgemalt. Er hat also genau schon das gemacht, was wir heute rezipieren würden als Simulation, als etwas Subversives – das ist im Grunde da schon passiert.

RS: Es gibt also immer Sozialisationsbezüge im weitesten Sinne?
Paesler: Das ist vielleicht auch eine Klischeeantwort: Aber ich kann mich erinnern, als Kind konnte ich stundenlang einen Bettbezug angucken, wo ein Muster drauf war mit einem Stengel und fünf kleinen Blüten... ich habe das ewig lang angucken können.

RS: Das hat etwas Meditatives.
Paesler: Ja, hatte es auch. Das ist nicht ganz aus meiner Arbeit verschwunden. Die Wiederholung als ein kontemplatives oder spirituelles Moment und dann hat es aber auch dieses Schematische. Das ist wie die hässliche Kehrseite davon, das Schablonisierte und Stereotype.

RS: Und wie hat sich das dann entwickelt, dass Sie quasi von der Küchengardine weggekommen sind zu anderen Mustern?
Paesler: Angefangen hat es mit den Stoffmustern, also, dass ich von den sehr reduzierten, einfachen hard-edge Bildern zu diesen Stoffmustern gekommen bin, weil ich x-mal das gleiche Rechteck auf die Bildfläche gemalt habe, immer etwas anders, also auf einem Bild, immer wieder, man hat die Fehler aber noch leicht gesehen und es gab eine Überlagerung von Fehlern und die ergab eine Textur. Und dann dachte ich, warum soll ich das nicht wörtlich nehmen und wirklich ein Stück Stoff kaufen und abmalen. Das Verwobene – darum ging es mir auch immer. Dann habe ich aber Stoffe gekauft, die etwas mit meiner Herkunft zu tun haben, mit einer Mittelklasseherkunft und dem Ehrgeiz nach gehobener Qualität, es waren teure gedeckte Stoffe, auch solche, die ich hässlich fand oder beklemmend.

RS: Aber was ist mit den Orchideen, die in den letzten Bildern auftauchen?
Paesler: Ja, die gefallen mir, aber mit denen habe ich auch große Probleme. Die wollen nicht so, wie ich will. Es ist eine Pflanze und gleichzeitig ein sexuelles Motiv. Das interessiert mich daran.

RS: Dazwischen haben Sie sich auf das Gestische bezogen.
Paesler: Ja, das sind für mich Reminiszenzen an die 50er. Sie erinnern nicht an einzelne Bilder, sondern arbeiten wie die Markenzeichen, wie die Label einzelner Künstler dieser Zeit, man kann vielleicht einen Namen dazu finden, aber man findet nie mehr ein Bild ...

RS: Da haben wir aber doch wieder das Spiel: ist es echt ist es falsch, ist es wahr, ist es unwahr ... Das kommt sehr stark in der ganzen Perfektion zum Tragen.
Paesler: Ja, es geht vielleicht auch darum, gewisse Dinge in die eigene Zeit zu transformieren. Also wenn ich sage, dass Peter Halley für mich so etwas war wie Mondrian 2000, dann ist ein Teil meiner Arbeit vielleicht ein Versuch, die Künstler der 50er Jahre in meine Zeit zu transformieren und mit all dem Artifiziellen und Beliebigen auszustatten. Nicht um diese Leute zu rehabilitieren, sondern weil es vielleicht immer noch so weitergeht. Ich weiß es nicht.

RS: Es geht Ihnen nicht darum, so zu malen wie diese Künstler, weil Sie deren Malerei gut finden?
Paesler: Es geht auch darum, die Geste nachzuvollziehen und nicht das Gleiche zu fühlen und darum, dass man nie das Gleiche dabei fühlen kann. Aber das geht auch nicht nur aus der Distanz heraus. Das geht nicht mit Abstand oder Zynismus. Das ist, glaube ich, ein sehr interessanter Moment, der mit Distanz und Emphase zu tun hat.

© Gespräch Hildtrud Ebert und Ingrid Wagner-Kantuser, Berlin April 2000.

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